Nr. 58
Was machen Regionalstellenleiter und -leiterinnen? Ein Interview mit Christian Schwegler.
Foto von Magda Ehlers
Interview von

Thomas Fritzsche

mit Dr. Christian Schwegler
Sag mal, lieber Christian, was macht eigentlich ein Regionalstellenleiter bzw. eine -leiterin (kurz RSL)? Im Moment und in den nächsten Jahren stehen ja an einigen Regionalstellen der M.E.G. Leitungswechsel an. Kannst Du mal schildern, was man als RSL so alles zu tun hat? Welche Aufgaben liegen da, übers Jahr verteilt, an?
Lieber Thomas, vielen Dank, dass du dieses Thema einmal publik machen möchtest. Die meisten Regionalstellen wurden bisher nicht übernommen, sondern gegründet. Da steckt natürlich ungleich mehr Arbeit drin, weil man eine komplett neue Firma gründet. Man muss also viel Netzwerkarbeit, Werbung und Organisation reinstecken, bevor so eine Regionalstelle gut läuft. Ich hatte das große Glück, dass ich mich bei Ortwin in Hamburg praktisch in ein gemachtes Nest setzen konnte. Insofern konnte ich meine Energie dazu nutzen, neue Ideen zu integrieren bzw. bereits Bestehendes noch zu verbessern.
Die meiste Zeit benötigt die Planung und Organisation der Seminare. Jedes Jahr im Januar beginne ich mit der Planung des übernächsten Kursjahres. Im Januar 2025 war das also das Jahr 2027. Ich schreibe alle Referent:innen an, die bei uns regelmäßig unterrichten und versuche dann noch vier oder fünf ganz neue Referent:innen mit neuen Themen nach Hamburg zu holen. Für die Seminare müssen natürlich auch noch Räumlichkeiten und Praktikant:innen organisiert werden. Außerdem müssen alle Seminare bei den Psychotherapeutenkammern akkreditiert werden. Dazu kommt Werbung, Homepage-Update, Instagram, Info-Briefe etc., damit unsere bisherigen Kund:innen über die Angebote informiert sind und neue auf uns aufmerksam werden. Es ist also ein richtiger Betrieb, den man da führt.
Spannend! Würdest Du das in Bezug zueinander setzen, welche Aufgabe wie viel Zeit beansprucht? Ist so etwas ein Fulltime-Job oder macht man das „nebenbei“?
Die Regionalstelle Hamburg ist recht groß, so dass wir es uns leisten können, zwei Kolleginnen in Teilzeit die Büroarbeiten erledigen zu lassen. Meine Arbeit als Leiter ist ein Nebenbei-Job mit ca. 5 Stunden Arbeit pro Woche. Ich teile mir die Leitungsarbeit allerdings auch mit Ortwin. Darüber hinaus ist es eine bereits bestehende und gut laufende Regionalstelle.
2014 hatte ich in Basel mein eigenes Institut neu aufgebaut. Das war im ersten Jahr wirklich ein Vollzeitjob und ich hatte zum Leidwesen meiner Familie mit Praxis und Institut sicherlich 70-80 Wochenstunden.
Ich denke, im Moment erleben wir in der M.E.G. eine sehr interessante Zeit, da verschiedene Regionalstellen bereits eine Nachfolge suchen oder in naher Zukunft suchen werden. Das ist eine gute Möglichkeit, mit verhältnismäßig überschaubarer zeitlicher Investition einzusteigen.

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Du bist ja selbst schon seit fast 4 Jahren RSL. Wie bist Du denn auf diese Idee gekommen? Gibt es eine Börse? Wird man da gefragt? Kann man sich bewerben, oder … ?
Für Hamburg hatte Ortwin mich konkret angesprochen. Ich hatte 2004 bei ihm meine Fortbildung gemacht und war so fasziniert, dass ich viele weitere Seminare besucht hatte. Über Ortwin als Mentor bin ich auch M.E.G.-Ausbilder geworden und vor ein paar Jahren hatte er mich dann in der Schweiz angesprochen, ob ich irgendwann mal nach Hamburg zurückkommen möchte… und jetzt bin ich da.
Das ist natürlich großes Glück gewesen. Ich denke, wenn man den bisherigen Leiter bzw. die bisherige Leiterin noch nicht kennt und insofern nicht so einfach direkt ansprechen mag, dann sollte man bei ihm oder ihr einfach mal ein Seminar besuchen und vielleicht in den Pausen Kontakt aufnehmen. Da kann man sein Interesse an einer solchen Tätigkeit gut kundtun und schauen, was sich daraus entwickelt.
Wie wächst man dann in diese Position hinein? Wird man ins kalte Wasser geschmissen, Schlüsselübergabe und „mach mal“, oder gibt es eine Art von Betreuungssystem? Eine Ausbildung, ein Mentorenprogramm?
Dafür gibt es bei uns leider keine Regularien. Die bisherige Leitung hat aber meist ein großes Interesse daran, dass sein/ihr „Baby“ weitergeführt wird - insofern gibt es meist eine Übergangszeit von einem Jahr, in dem die ausscheidenden Leiter:innen ihre Nachfolger einarbeiten.
Welche Aufgaben machen Dir persönlich besonders viel Spaß?
Am meisten Spaß macht mir das Unterrichten! Jetzt denkst du vielleicht, dass man dafür nicht gleich die ganzen Aufgaben einer Regionalstelle übernehmen müsste. Ich könnte ja auch versuchen an anderen Regionalstellen zu unterrichten. Dazu muss ich allerdings eingeladen werden. Tatsächlich unterrichte ich 12 Seminare pro Jahr an meinem Institut in Basel und 14 Seminare in Hamburg. Als Leiter:in buche ich zunächst einmal mich selbst und danach dann sehr bekannte Referent:innen, die viele Kund:innen bringen. Als „Newcomer:in“ hat man es da schwer und muss schon ein sehr nachgefragter Referent bzw. eine sehr nachgefragte Referentin sein. Wenn man also hauptberuflich als Dozent:in arbeiten möchte, dann ist eine eigene Regionalstelle die beste Basis dafür.
Am zweitmeisten Spaß machen mir neue Projekte. Wir haben letztes Jahr das Curriculum Hypnosystemische Kommunikation (KomHyp) sehr erfolgreich in Hamburg eingeführt. Dieses Jahr bieten wir das erste Mal KomHyp online an und nächstes Jahr beginnen wir mit unserem Projekt „Bildungsurlaub“: Dafür biete ich unter anderem ein 5tägiges Seminar auf Teneriffa an, welches jetzt schon ausgebucht ist. Solche neuen Ideen umzusetzen, bringt mir sehr viel Freude.
Welche Bedeutung hat es denn für Dich, dass Du in dieser Rolle quasi die „Botschaft Milton Ericksons“ weiterträgst? Ist das im Alltag relevant?
Ich denke, dass die Idee der Utilisation einer der größten und bedeutendsten Schritte in der Entwicklung der Psychotherapie war. Der gesamte Ansatz der Ericksonschen Hypnotherapie basiert auf diesem patientenzentrierten Prinzip. Ich erlebe immer wieder, wie glücklich es mich macht, neue Kolleginnen und Kollegen für diese Haltung zu gewinnen.
Ohne meine Begeisterung für die moderne Hypnotherapie würde ich heute weder eine Regionalstelle leiten noch mich in einem Fachverband wie der M.E.G. engagieren. Ich bin überzeugt: Wer eine Regionalstelle führt, tut das in erster Linie aus Überzeugung – und aus dem Wunsch heraus, einen positiven Beitrag zur Psychotherapie zu leisten.
Und systemisch-ketzerisch: Was wäre ein guter Weg, als RSL zu scheitern?“
Ich glaube du scheiterst, wenn du glaubst, dass du mit einer Regionalstelle an sich viel Geld verdienen würdest. Der größte Anteil der Einnahmen geht bei uns an die Referent:innen. Selbst eine so große Regionalstelle wie Hamburg hat am Ende des Jahres einen verschwindend kleinen Überschuss.
Die Regionalstelle sorgt aber dafür, dass ich eine gute Reputation bekommen kannst. Zum einen führt das zu einem höheren Anteil an Privatpatient:innen. Zum anderen kann ich dadurch jeden Monat ein bis zwei Seminare halten, die eine sehr schöne Abwechslung zur therapeutischen Arbeit sind, mir persönlich sehr viel Spaß bereiten und die, je nach Anzahl der Teilnehmer:innen, auch lukrativ sein können.

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Also, dass das viel Spaß macht, kreativ und eigenverantwortlich eine solche Regionalstelle zu führen, kann ich super nachvollziehen. Wenn ich erst 40 oder auch 50 wäre, würde mich das absolut reizen. Verrätst Du mir und den Leser:innen, wie viel Geld durch die Referent:innentätigkeit zusammenkommt? Ist das finanziell interessanter als nur die eigene Praxis zu leiten mit, sagen wir mal, 25 Therapiegesprächen pro Woche?
Im Vergleich zur reinen Praxistätigkeit bietet eine Regionalstelle natürlich ein zusätzliches Einkommen.
Wie hoch dieses ausfällt, hängt stark von der Anzahl der durchgeführten Seminare und der jeweiligen Teilnehmer:innenzahl ab.
Wirklich interessant wird eine Regionalstelle aber erst dann, wenn man sie als Gesamtkonzept versteht – und Freude daran hat, sowohl zu unterrichten als auch zu organisieren und zu planen. Wer sich aus rein finanziellen Gründen für eine Regionalstelle entscheidet, ohne ein Faible für organisatorische Arbeit zu haben, wird vermutlich nicht glücklich damit.
Aber wenn man mit Leidenschaft dabei ist, erhält man über indirekte Einnahmen – etwa durch Privatpatient:innen, Lehrtätigkeit oder Buchverkäufe – in der Regel einen sehr angemessenen Ausgleich für die investierte Zeit und Energie.
Unsere Regionalstellenleiter und -leiterinnen sind ja, zum Glück, eine wirklich bunte Truppe. Hast Du dennoch, vielleicht auch zusammenfassend, einen spontanen Gedanken, welche Art von Typ man sein sollte, um die Aufgabe gut auszufüllen?
Ich denke, als Regionalstellenleiter:in sollte man sowohl die finanziellen als auch die organisatorischen Abläufe gut im Blick behalten – und gleichzeitig eine überzeugende Referentin bzw. ein überzeugender Referent sein. Gerade die Qualität der eigenen Seminare hat großen Einfluss darauf, wie viele Teilnehmende durch Mundpropaganda dazukommen.
Empfehlungen und treue Stammkundschaft sind letztlich der wichtigste Faktor für den Erfolg einer Regionalstelle.
Cool, ich glaube jetzt habe ich einiges viel genauer verstanden als bisher. Lieber Christian, ich danke Dir sehr für das Gespräch!