Nr. 57

Resilienz hat man nicht - man stellt sie immer wieder her!

Artikel von

Anne M. Lang 

Fliegender Teppich - Eine Trance von Anne M. Lang

1. Hinführung und Definition:

Liebe Leser*innen und Hörer*innen,

Resilienz ist ein bekanntes und benanntes Phänomen. Aber was bedeutet es?

Wie bei anderen Wort- und Kategorie-Konstrukten entsteht auch bei „Resilienz“ schnell der Eindruck, es handele sich um etwas Wahres, Festes. Es sei etwas, das „man dann hat“ oder „eben dann nicht hat“ bzw. „etwas, das da ist“ oder „eben nicht da“ ist. So, als sei es ein „Gen“, eine „Eigenschaft“, ein im Test überdauernd Festmachbares, Belegbares. Als sei es etwas Statisches.

Im Unterschied dazu können wir „Resilienz“ völlig anders verorten, nämlich als erlernbare Fähigkeit, mit deren Hilfe wir gerade wieder aus einer als fixiert erlebten Situationen in Bewegung kommen. So gesehen klingt es hoffnungsvoll, diese Kompetenz zur Resilienz zu erwerben und gestaltend herzustellen. Dabei helfen folgende suggestiv ausrichtende Fragen, die wie Sonden in fokussierende Suchprozesse der Entwicklung hineinführen. Sie implizieren Entwicklung. z. B.

  • Wie sähe Resilienz in dieser Situation aus?
  • Welche Fähigkeit möchte ich in dieser Situation lernen, erwerben? (siehe u.a. auch Ben Furman)
  • Wie komme ich vom Betroffenen wieder in den aktiv Gestaltenden meines Lebens?
  • Ich kann mich auch fragen: Was würde eine gutmeinende andere Person bei mir an Resilienz sehen?

Gerade, wenn wir Resilienz brauchen, sitzen wir ja in der Problemfokusfalle. Da hilft es wenig, diesen Zustand wiederholend zu konstatieren und sich und anderen gerade damit zu belegen, zu rechtfertigen, dass nichts mehr geht.

Gerade dann bestehen Not und Herausforderung, bewegende Resilienz (wieder) herzustellen.

Es hilft, grundsätzlich sich mit Resilienz zu beschäftigen, um sie parat zu haben und dann zu wissen was zu tun ist, um sie zu erzeugen und anzuwenden. Situationen, in denen man dieses Wissen braucht und man darauf zurückgreifen will, kommen in jedem Leben unweigerlich vor.

Was aber hier so einfach klingt, ist eine zu modifizierende Aufgabe und erfordert, in einen Prozess zu gehen, um Resilienz automatisch abrufen zu können.

2. Wie kann ich also Resilienz herstellen?

Der Hintergrund meiner Antwort ist:

Ein menschliches Glück, dass es keine feste Wirklichkeit gibt! Und ein Glück, dass man Wirklichkeit wieder elastischer machen kann. Sie schillert, je nachdem wie man sie betrachtet. So betrachtet wird Wirklichkeit und damit ihre Resilienz gestaltbar.

Weil Wirklichkeit sich so unterschiedlich zeigt, setzen wir hier an. Und siehe da, sie ändert sich dann, je nach:

  • den Zeiten der Betrachtung: Wie wird, soll es anders werden?
  • dem Prozess: Dieser wird sich ändern. Wie, wohin will ich gehen?
  • den Perspektiven (die der Zeiten, die der Beobachter*innen, die der Hypothesen, die der Annahmen): Welche unterschiedlichen gibt es?
  • der dissoziativ erlebten Wahrnehmung: Es macht einen Unterschied, ob ich dissoziativ von außen draufschauend mich von der Problemtrance löse oder mich assoziativ darin aufhalte. Wie sieht es aus der Metasicht, der Hügel-, Vogel-, Adlerperspektive anders aus? Und wie ordne ich aus dieser Sicht das zu sehende Chaos?
  • der assoziativ erlebten Wahrnehmung: Da kann ich schon assoziativ gefühlsmäßig mitten in der zukünftigen Wunschsituation sein und mich damit schon vorab verbinden. Wie bereite ich sie vor in einer innerlich schon dahin ausgerichteten Trance?
  • der organisierten Wahrnehmung, die die Polaritäten wieder in Spannbreiten auflöst. Was sind die Zwischentöne, Zwischenschritte? Ein bisschen davon ist immer da bzw. geht immer.
  • den Vorstellungen von Entwicklung: In welche anstehende Entwicklung will ich gehen?
  • den Interaktionen: Wer ist als Unterstützende, Verbündete mit ins Boot zu holen? Und sei es als imaginierte Schutzpersonen.
  • den günstigen Suggestionen: Diese sind herzustellen bzw. ungünstige aufzulösen. Was ist mein hilfreiches bestes Kraftmotto oder Bild?
  • dem, was zu unterlassen ist an üblichem Ungünstigen: Und kommt es noch so automatisch hoch wie die Dominanz meiner festen Erklärungen, z.B. solchen aus schicksalhafter Biographie, erfahrener Ungerechtigkeit, unweigerlichen Gefühlen, eines erklärten personalem Defizits usw.

Aus den eigenen neuen Antworten darauf ergeben sich aktive Gestaltungsmöglichkeiten. Und es kommt zu einer Entwicklung, die Resilienz ermöglicht.

3. Hypnotherapie verstanden als Förderung zur Resilienz

In den zuvor angesprochenen Perspektiven erkennen wir die übergeordnete Prinzipien einer Hypnotherapie:

Solche wie die der Ressourcen- und Zielausrichtung, der Ergänzung von bewusster Planung und Kontrolle durch ergänzendes „Inneres Wissen“, die Prinzipien des Reframings, der Utilisation („Gut, dass es passiert ist….“) und die Chancen, wenn wir das Gegenteil unterlassen. Insgesamt wirkt hier die konstruktivistische Kraft in der Hypnotherapie.

Wenn ich so übergeordnet an eine Situation herangehe, gestalte ich sie um. Oft höre ich kulturspezifische Fragen: Was ist mit „Gefühlen“, die einen beherrschen: Wut, Trauer, Angst, Hass usw. Was ist mit dem Körper: Schmerz, Niedergeschlagenheit, Erschöpfung?

Für mich gehört zur Resilienz auch dazu, „Gefühle“ zu regulieren, sie als nur momentan zu akzeptieren und sie in den Prozess zu bringen. Sie werden sich ändern durch die zu erwerbende Erweiterung. Sie können sich ändern mit meiner Entwicklung, meiner Einordnung, meiner Erklärung der Situation. Ich bin mehr als meine Gefühle. Traditionell haben wir in der Psychologie und Psychotherapie eine Betonung auf Gefühlen und Erleben. Gefühle sind menschlich absolut wichtig, da sie als Motoren dienen zur Entwicklung, da sie notwendige Bindung, Liebe, Sehnsucht herstellen und mit erhalten. Da sie Abgrenzung und Abstand ermöglichen. Aber Gefühle sind auch Ausdruck einer Gesamtsituation. Sie ändern sich, wenn sich die Situation durch den Erwerb von Resilienz ändert. Mit Resilienz wird man von dem Opfer-Empfindenden zum Gestaltenden der Situation.

Foto von Pixabay

4. Resilienz und ihr konstruktives Wunder 

Das bedeutet: Äußerlich bleibt es gleich - innerlich ändert es sich.

Damit aber verändert es sich auch äußerlich, weil es sich innerlich verändert, wenn wir Wirklichkeit umgestalten. Dann entstehen andere Impulse an Tun. Das geht nicht immer sofort, weil es ein Prozess ist.

Es ist also von Leser*innen zu klären, inwieweit wir schon bereit sind, dahin zu gehen oder ob wir noch in anderen Prozessen hängen wie z.B. der Rechtfertigung, der Anklage, der Verweigerung, der Ambivalenz. All das sind menschlich berechtigte Bedürfnisse, aber darin „Hängenbleiben“ ist weder förderlich noch erforderlich. Dazu ist das Vorgehen u.U. therapeutisch zu modifizieren.

5. Resilienz ist eine ganz eigene Entscheidung

Resilienz ist eine ganz eigene Entscheidung, die einem nicht aufgedrängt werden kann und keine durch „Behandlung“ entstehende. Reine Behandlungstools greifen zu kurz. Resilienz ist nur in eigener Transformation zu „ermöglichen“. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

Wie werden wir also selbstentschieden wieder Chef*in in unserem eigenen Leben? Wie kommt wieder die menschliche Lust auf, dieses zu gestalten trotz allem Schicksal und das durch Andere ungerecht Erlebte, was alles uns im Leben widerfährt? Wir haben als Menschen die Kraft und Möglichkeit, uns der ausgeblendeten Fähigkeiten, Besonderheiten, unserer Selbstbestimmung, unserer Vorstellungen wieder zu ermächtigen, Verbindung mit dem aufzunehmen, was wir schon in anderen Situationen gemacht haben. Etwas geht immer, um in gute Entwicklung zu gehen.