Nr. 57

Nachschau zur M.E.G.-Jahrestagung 2024 

Foto © Martina Schrenk

Artikel von

Dr. Cornelie Schweizer 

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Die Jahrestagung der Milton Erickson Gesellschaft im März 2024 in Kassel versprach eine Auseinandersetzung mit der Ericksonschen Hypnose und Psychotherapie unter dem Motto "State of Art and Science nach 40 Jahren" und lockte Mitglieder, Kolleg:innen und Freund:innen der M.E.G. aus allen Teilen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und darüber hinaus an. Sie sollte nicht nur ein Rückblick auf Jahrzehnte seriöser und wissenschaftlich fundierter Hypnose und Hypnotherapie sein, sondern auch ein Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung, Künstlichen Intelligenz und Virtuellen Realitäten.

Besonders beeindruckend war für mich der Beitrag von Miriam Gebhardt über den Wertewandel in Eltern-Kind-Beziehungen innerhalb der letzten hundert Jahre. Anhand von Tagebuchaufzeichnungen von Eltern über deren Kinder dokumentierte sie mit Originalzitaten bedrückend plastisch, wie traumatisierend die Erziehungspraktiken, die vor allem in Deutschland bis in die 70-er Jahre hinein populären waren, aus heutiger Sicht sind.

Freitags entstanden beim Symposium "Was ist hypnotische Trance?" kontroverse Diskussionen über den Sinn von formellen Hypnoseritualen. Der besondere Vortrag am Abend von Paul Janouch über Richard Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg" war ein kulturelles Highlight und alle, die diese Veranstaltung seit Jahren mögen und besuchten, werden bedauern, dass es das letzte Mal war.

Besonders am Herzen liegt der M.E.G. die Förderung des Nachwuchses und der Wissenschaft. Dazu gab es am Samstag zwei Veranstaltungen. Bei MEGcampus konnten Studierende kostenlos an der Tagung teilnehmen und in dieser speziellen Veranstaltung erste Einblicke in die klinische Hypnose bekommen. Dieses Nachwuchsprogramm wird 2026 wieder angeboten. Prof. Dr. Björn Rasch leitete das Wissenschaftsforum, in dem Dr. Alina Haipt und Dr. Sarah Karrasch jeweils ihre Promotionsstudien zu hypnotherapeutischen Effekten vorstellten und den M.E.G.-Nachwuchsförderpreis erhielten.

Nachwuchförderpreisträgerinnen 2024

Alina Haipt und Sahra Karrasch |Foto © Martina Schrenk

Bei den Workshops waren die praxisnahen Themen besonders beliebt. Gut besucht und geschätzt war der Workshop von Prof. Martin Bohus zu Imaginationen innerhalb der Dialektisch behavioralen Therapie für komplexe posttraumatische Belastungsstörungen. Auch der Workshop von Thomas Fritsche über Timelinearbeit zur Auflösung kognitiver Blockaden „Gehen statt Reden: Wir lassen einen kurzen Gang in die eigene Zukunft durchführen - drei Schritte gehen, statt drei Stunden reden!“ brachte vielen großen Gewinn. Und selbst das als zäh gefürchtete Thema Zwänge wurde von Silvia Meyer unter der Überschrift „Zwängen souverän begegnen“ offenbar so souverän behandelt, dass ihre Teilnehmer:innen sich sehr positiv äußerten.

Foto © Martina Schrenk

Foto © Martina Schrenk

Das umfangreiche Rahmenprogramm mit Kabarett, Bankett, Party und Aktivitäten wie Meditation und Pausentrancen sorgte für eine ausgewogene Mischung aus Wissenserweiterung und Erholung. Sichtlich gut amüsierten sich die Zuschauer:innen beim Abendprogramm mit Melanie Haupts Showdown im Großhirn. Diese humorvolle und intelligente Inszenierung über unterschiedliche Ego-States unterhielt auf höchstem Niveau. Am Festabend wurde von Past-Präsidentin Birgit Hilse die Milton-Erickson-Medaille an Burkhard Peter verliehen und Musik und Tanz mit Urban Beyer und DJane Linda rundeten den Abend perfekt ab.

Birgit Hilse, Peter Hain, Helga Hüsken-Janßen, Walter Bongartz, Norbert Loth, Burkhard Peter, Alida Jost-Peter |Foto © Martina Schrenk

Am Sonntag bot die Vortragsreihe "Medizin & Hypnose" spannende Einblicke in die Anwendung von Hypnose in verschiedenen medizinischen Bereichen und der Hauptvortrag von Jeff Zeig war ein gelungener Abschluss der Tagung.

Für diejenigen, die noch Zeit und Lust auf frische Luft hatten, gab es das Herkules-Monument im Bergpark Wilhelmshöhe; ein UNESCO-Weltkulturerbebauwerk mit (theoretisch) atemberaubender Aussicht über Kassel, das im dichten Frühlingsnebel zwar keinerlei Aussicht, aber ein umso zauberhafteres Ambiente bot.

Foto © Cornelie C. Schweizer

Die Tagung in Zahlen: Auf insgesamt 

8.500 m² Veranstaltungsfläche, verteilt auf

39 Vortrags- und Workshopräume gab es

24 Vorträge und

80 Workshops, die von

1050 Teilnehmenden in Präsenz und

130 Onlineteilnehmer:innen besucht wurden.

Über 100 Referent:innen,

60 Helfer:innen und ein 8 Personen starkes Orgateam ermöglichten diese Veranstaltung.

Ein Auszug aus den Feedbackbögen spiegelt die überwiegende Stimmung auf der Tagung: 

„Der Kongress war wieder inspirierend für mich und meine Arbeit. Danke, danke für MEGcampus! Super organisiert, super nette Betreuer, eine tolle Erfahrung! Der beste Kongress in jeglicher Hinsicht. Hervorragende Jahrestagung, perfekte Organisation, interessante inspirierende Veranstaltungen und Möglichkeit zum Austausch. Dem Tagungsfest läuft zu Recht ein legendärer Ruf voraus. Kassel als Austragungsort ist super. Probleme wurden sofort gelöst, Kommunikation war wunderbar zuvorkommend und zeitnah. Selten so eine gute Betreuung bei einem großen Kongress gehabt. Über die 8 Verzehrbons habe ich mich sehr gefreut! Tolle Vortragende (!!!) in einem wunderbaren Ambiente! Top-Auswahl bei den Bücherständen. Vielen Dank für die Top Vorbereitung, Gestaltung, Durchführung dieser so praxisnahen, immer wieder von einer super Atmosphäre begleiteten und sehr inspirierenden Tagung. Möglichkeit zur spontanen Teilnahme bei Workshops sehr gut. War begeistert, wieviel ich von der abgespeckten Online Variante mitnehmen konnte! Tolle Jahrestagung mit unglaublich vielen spannenden Angeboten.“ 

Wir freuen uns sehr über dieses Feedback und wollen aus den weniger positiven Rückmeldungen lernen. Die bemängelnden Punkte bezogen sich häufig auf „Kinderkrankheiten“ durch den Umzug nach Kassel, die wir bis zur nächsten Jahrestagung auskuriert haben möchten. Auch das Pausencatering und das Büffet beim Bankett erhielten Kritik. Das Thema Nachhaltigkeit wurde ebenfalls für ausbaufähig gehalten. Wir, der Vorstand der M.E.G., möchten zukünftig noch mehr auf Umweltfreundlichkeit achten.

Von links nach rechts: Wolfram Dorrmann, Cornelie Schweizer, Kerstin Schnurre, Christian Schwegler, Stella Nkenke, Birgit Hilse, Anna Kaiser, Björn Rasch, Matthias Nörtemann | Foto © Martina Schrenk

Mit den Vorträgen und Workshops war ein großer Teil des Publikums offenbar sehr zufrieden. Das freut uns sehr! Einige Teilnehmende hatten jedoch mehr Bezug zum Thema "40 Jahre M.E.G. Tagungen" erwartet. Deshalb hierzu ein Nachtrag:

Meilensteine in der Entwicklung der M.E.G.-Tagungen: 1984 - 2024

1984 fand in München der erste deutschsprachige Hypnosekongress statt. Heute kaum zu glauben: Im dicken Buch mit den Kongressbeiträgen waren die Autoren ausschließlich Männer!

Ab 1985 fand die erste M.E.G.-Jahrestagung in Heidelberg statt; 1986 nochmal in Heidelberg und 1987 in Berlin. Danach wechselte die Jahrestagung 1988 für lange Zeit nach Bad Orb. Ulrich Freund bescherte uns viele unvergessliche Events wie einen großen mittelalterlichen Märchenmarkt. Ulrich Freund initiierte auch den damals jährlich verliehenen Milton Erickson Preis der M.E.G.

1990 und 1992 fanden auf Initiative von Bernhard Trenkle die beiden ersten Kinderhypnotagungen statt. Siegfried Mrochen, Karl-Ludwig Holtz und Hiltrud Bierbaum-Luttermann entwickelten in der Folge das erste Kinderhypnotherapie-Curriculum weltweit. Mittlerweile haben Hunderte von Kollegi:nnen dieses Curriculum durchlaufen, zertifiziert abgeschlossen und arbeiten erfolgreich in der Kinderhypnotherapie. 2024 findet die 10. Kinderhypotagung statt!

1992 fand die internationale Hypnose-Konferenz in Jerusalem statt. Burkhard Peter initiierte eine zusätzliche Joint-Conference, auf der sich die Ericksonianer und Traditionalisten erstmalig auf Augenhöhe austauschten. Das war eine wichtige Initiative zu einem besseren Kooperationsklima der führenden Hypno-Expert:innen weltweit.

1994: Als wichtigen Schritt für die Gleichberechtigung und Anerkennung der weiblichen Expertise in der Hypnotherapie organisierte Liz Lorenz-Wallacher unterstützt von Bernhard Trenkle eine Tagung, bei der ausschließlich Frauen referierten. Dies war eine von vielen Initiativen und Tagungen, die von M.E.G.-Regionalstellen ausging.

1989 und 1995 fanden die 1. und 2. Europäische Konferenz für Ericksonsche Hypnose und Psychotherapie in Heidelberg bzw. München statt. Diese Veranstaltungen mit 1.100 bzw. 2.000 Teilnehmenden trugen maßgeblich zur internationalen Vernetzung und zum Wissensaustausch bei.

Beginn der 90-er Jahre: Im Rahmen der Deutsch-Chinesischen Akademie für Psychotherapie (DCAP) brachten Dirk Revenstorf, Burkhard Peter und Gunther Schmidt hypnotherapeutische Ansätze nach China. Bernhard Trenkle und Xin Fang von der Peking Universität organisierten ab 2008 Ausbildungsgruppen in China, die von der M.E.G. zertifiziert wurden. Rund 900 chinesische Kolleg:innen haben seitdem ein Zertifikat erhalten. Diese Zusammenarbeit führte zu einer aktiven Partnergesellschaft mit über 600 Mitgliedern in allen Provinzen Chinas. Dabei floss das Wissen von West nach Ost und umgekehrt: Bernhard Trenkle lernte in China alte chinesische Techniken kennen und entwickelte sie gemeinsam mit Prof. Tianjun Liu vom Chi Gong-Laboratorium der Peking Universität in einem Buch weiter. Ab 2025 planen die beiden, in Peking internationale Workshops zur Technik der „chinesischen Truhe“ abzuhalten und Teilnehmer:innen qualifiziert auszubilden.

In den 90-er Jahren entstand aus der M.E.G. heraus und auf Initiative von Albrecht Schmierer die Idee, die zahnärztliche Hypnose über eine eigenständige Gesellschaft zu fördern. Die DGZH wurde gegründet und hat unter der Führung von Albrecht und Gudrun Schmierer eine unglaubliche Erfolgsgeschichte geschrieben.

1994 organisierte Bernhard Trenkle und Jeffrey Zeig (Milton Erickson Foundation, Phoenix) mit Unterstützung der M.E.G. die Evolution of Psychotherapy Conference in Hamburg. Diese mit 6000 Teilnehmer:innen bisher größte europäische Psychotherapie-Konferenz war hilfreich bei der berufspolitischen Anerkennung der Hypnotherapie.

2000 organisierte Burkhard Peter den ISH-Kongress in München, der die neuesten internationalen Entwicklungen in der Hypnotherapie einem 1500 Personen starken Publikum präsentierte.

2003 fand in Bad Orb eine wichtige Tagung statt, bei der prominente internationale Kolleg:innen wie John Watkins, Claire Fredericks, Maggie Phillips, Gordon Emerson und Woltemade Hartman teilnahmen. Dies war das 25-jährige Jubiläum der M.E.G. und zugleich der erste Weltkongress für Ego-State-Therapie, welcher den Beginn des weltweiten Interesses an Ego-State-Ansätzen markierte.

2012 organisierte Bernhard Trenkle und sein Team den ISH-Weltkongress in Bremen, ein bedeutendes Ereignis für die gesamte Hypnotherapie-Community mit 2300 Teilnehmer:innen und die bis dahin größte Hypnose-Tagung der Geschichte.

2023 war die M.E.G. Jahrestagung aufgrund der stetig steigenden Teilnehmer:innenzahlen aus dem beschaulichen Bad Kissingen herausgewachsen und zog in das größere Kongresszentum nach Kassel um.

Vielen herzlichen Dank an Bernhard Trenkle (das wandelnde Gedächtnis der M.E.G.) für die Unterstützung bei diesen Rückblick!

Die M.E.G. Jahrestagung 2024 war geprägt von einem reichen Programm, inspirierenden Vorträgen und intensiven Workshops. Herzlichen Dank an alle Referent:innen und Organisator:innen und ganz besonders an die Hauptpersonen, den Teilnehmer:innen, die zum Erfolg der Tagung beigetragen haben…

… und freuen uns, Sie erneut in Kassel zu einer weiteren spannenden Jahrestagung zu begrüßen, von

27. bis 30. März 2025

mit dem Thema Resilienz stärken, Ressourcen aktivieren: Die transformative Kraft der Hypnose.

Anmeldung unter: www.meg-tagung.de

Foto © Martina Schrenk